Am Anfang bist du begeistert …
Sven Grüttefien auf www.umgang-mit-narzissten.de
Du findest den Narzissten interessant und fühlst dich zu ihm hingezogen. Er strahlt etwas Souveränes aus und fasziniert dich.
Dann merkst du, dass sich alles nur um ihn dreht und du immer mehr von ihm vereinnahmt wirst. Deine Authentizität geht verloren. Dein Selbstwertgefühl leidet. Deine Meinung ist nicht mehr gefragt. Deine Gefühle werden verletzt und Du wirst benutzt, hintergangen und getäuscht.
Aber du gehst darüber hinweg, weil du es nicht wahrhaben möchtest. Du glaubst nicht, dass ein Mensch so kalt und gefühllos sein kann. Schließlich hast du ihn anders kennengelernt und du hoffst, dass alles wieder so wird wie früher.
… und am Ende bist du verzweifelt
Narzissmus – was ist das überhaupt?
Der Ausdruck Narzissmus leitet sich vom altgriechischen Namen Narziss (Νάρκισσος) ab, der in der griechischen Mythologie ein schöner Jüngling war, der die Liebe anderer zurückwies und sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. 1
Der Begriff Narzissmus bezeichnet im allgemeinen die Selbstliebe und Selbstbewunderung eines Menschen, womit deutlich wird, dass ein gesundes Maß an Narzissmus durchaus angemessen und hilfreich für die Entwicklung einer von Selbstbewusstsein und psychischer Ausgeglichenheit geprägten Persönlichkeit ist. Jeder von uns ist also mehr oder weniger narzisstisch veranlagt. Problematisch wird es, wenn die Erhöhung der eigenen Person dazu führt, dass andere Menschen, die Opfer, in ihrer Persönlichkeit erniedrigt und manipulativ eingeschränkt werden. In diesem Fall spricht man von krankhaftem Narzissmus, die zugehörige Diagnose lautet NPS – narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung „zeichnet sich durch einen Mangel an Empathie, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und gesteigertes Verlangen nach Anerkennung aus. Typisch ist, dass die betroffenen Personen übermäßig stark damit beschäftigt sind, anderen zu imponieren und um Bewunderung für sich zu werben, aber selbst nur wenig zwischenmenschliches Einfühlungsvermögen besitzen und nur wenig emotionale Wärme an andere Menschen zurückgeben.“2
Plakativer bringt es der auf Narzissmus spezialisierte Wiener Neurowissenschaftler und Psychiater Univ.-Doz. Dr. Dr. Raphael M. Bonelli auf den Punkt: „Ein echter Narzisst idealisiert sich selbst, wertet andere ab und ist sich stets selbst der Nächste. Oder aber: „Schön ist nur er selbst, wahr ist nur das, was er sagt, und gut ist nur, was für ihn gut ist.“3
Wenn Du Dich tiefergehend für die psychologischen Hintergründe der NPS interessierst, lies meinen Beitrag Die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Denn hier soll es um die andere Seite der Medaille, nämlich die Opfer von Menschen mit NPS, gehen.
Woran erkenne ich, dass ich Opfer eines Narzissten bin?
Wer einmal selbst einem Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung begegnet ist, egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld, durchlebt häufig einen langen Leidensprozess, bevor er sich aus dieser Beziehung befreien oder hinreichend stark abgrenzen kann. Dazu braucht es viel innere Kraft und ein starkes Selbstbewusstsein, ausgerechnet also genau das, was im Laufe der Beziehung mit einem Narzissten/einer Narzisstin mehr und mehr systematisch untergraben und vernichtet wird. Am mangelnden Durchschauen der Situation liegt es hingegen häufig nicht, dass das Opfer eines Narzissten/einer Narzisstin sich nicht von ihm lösen kann. Im Gegenteil: Je länger die Beziehung andauert, umso klarer und übersehbarer wird alles, und dennoch gelingt die Befreiung nicht. Das Opfer findet sich in den Ketten der emotionalen Abhängigkeit.
Ein Freund berichtete einmal vom schwierigen Verhältnis zu seiner Chefin. Nach einigen Sätzen warf ich ein „… oh, pass auf, das klingt nach einer Narzisstin.“ Er sah mich ungläubig an und meinte: „… ach was, das ist nur eine ganz arme kleine Person, bei all dem Stress und der großen Verantwortung kann man doch auch verstehen, wie sie sich verhält.“ Wenige Wochen später traf ich ihn wieder. Inzwischen hatte er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben, weil er den Druck auf der Arbeit einfach nicht mehr aushalten konnte. „Du hattest Recht“, sagte er, der erste Satz, den sein Psychiater nach seinen Schilderungen geäußert habe, sei „Sie sind das Opfer einer krankhaften Narzisstin“ gewesen.
Ich erzähle dieses Beispiel, weil es viel über die Haltung der Opfer von Narzissten, ich möchte sie ab jetzt emotional Abhängige nennen, aussagt. Sie fühlen die Erniedrigung, Missachtung und den Mangel an Empathie und leiden sehr darunter, und dennoch versuchen sie, die Situation herunterzuspielen, rational zu erklären, das Verhalten des Gegenübers sogar zu rechtfertigen bis hin zur Suche der Schuld bei sich selbst. Damit ist der Tiefpunkt emotionaler Abhängigkeit erreicht: Der klare Blick und Selbstwert des betroffenen Menschen ist so sehr zerstört, dass er sich als zwangsläufige Ursache des narzisstischen Verhaltens sieht, „so wie ich bin und mich verhalte verdiene ich es nicht anders“.
Der Weg heraus aus der emotionalen Abhängigkeit
Zuallererst: „Den“ – also einen einzigen richtigen – Weg der Befreiung gibt es nicht. Und dies nicht nur, weil es ohnehin kein Richtig und Falsch gibt, sondern weil nicht alle narzisstischen Täter-Opfer-Beziehungen über einen Kamm zu scheren sind. Sicher ist nur eines: Darauf zu warten, dass der Narzisst/die Narzisstin sein/ihre Erkrankung als solche erkennt und sich in Behandlung gibt, um sich und andere nicht weiter zu gefährden, wird vergeblich sein. Selbst wenn es sich um die Ausprägung des verletzlichen Narzissmus 4 handelt, wird sich die betroffene Person eher in die Aggression als in die Kapitulation flüchten.
Getreu dem Buchtitel „Irre – Wir behandeln die Falschen!“ wird also eher das Opfer, der emotional Abhängige, anstelle des Täters Hilfe suchen. Diese muss zuallererst5 darauf zielen, wieder in die Klarheit zu kommen, Selbsterniedrigung und Selbstverurteilung zu stoppen, Selbstliebe und -bewusstsein wieder aufzubauen. Des Weiteren steht ein grundlegender Klärungsprozess an: Soll und kann die Beziehung weiter geführt werden, falls ja unter welchen Bedingungen, oder wie lässt sich der Weg heraus gestalten?
In der Literatur findet sich tatsächlich fast ausschließlich die Empfehlung „nimm die Beine in die Hand und such‘ das Weite.“ Eine Lösung, die aus Sicht eines Außenstehenden nicht gerade souverän oder „vernünftig“ erscheinen mag, aber andererseits auch zeigt, wie schwerwiegend und aussichtslos diese Situation ist. Und sicher, manchmal ist die Flucht die einzig machbare Lösung – auch wenn sie zur Konsequenz haben wird, dass der Narzisst sich sein nächstes Opfer suchen wird anstatt sich zu reflektieren und aus der Erfahrung zu lernen.
Ein anderer, von Corinne Dettmer entwickelter und begründeter Ansatz zielt hingegen darauf, dass es dem emotional Abhängigen durch klare Abgrenzung gelingen kann, die Abhängigkeiten der Beziehung aufzulösen – mit dem Effekt, dass beide Seiten davon lernen und Wachstum erfahren dürfen. Dieser Ansatz beruht auf dem Prinzip der Polarität und der Erkenntnis, dass alles im Leben nach Ausgleich verlangt.
Gerne berate ich Dich aufgrund meiner Erfahrungen und Kenntnisse, wenn Du der oder die emotional Abhängige, also das „Opfer“ eines Narzissten/einer Narzisstin bist. Ich werde je nach Bedarf und Befindlichkeit diese Beratung mit heilsamen Praktiken kombinieren, so wie es Dein Körper im Rahmen einer kinesiologischen Testung verlangt. Frage gerne über das Kontaktformular einen Termin an.
Linktipp: Sven Grüttefien bietet unter umgang-mit-narzissten.de ein umfangreiches Portal mit vielfältigen Informationen zum Thema an.
Buchtipps: Der Klassiker zu dieser Thematik stammt aus der Feder der französischen Psychoanalytikerin und Familientherapeutin Marie-France Hirigoyen und heißt Die Masken der Niedertracht (1998). So sehr ihr einseitiger, den Kontaktabbruch fordernde Ansatz Betroffenen in ihrer tiefen Verletzung als einzig gangbarer Ausweg erscheinen mag, so sehr tendiere ich dennoch zu Corinnes Ansatz, der in der Begegnung gemäß dem Gesetz der Polarität eine Lernaufgabe für beide Beteiligten sieht. Nicht nur deshalb richtet sich ihr Buch an beide Seiten: Den Narzissten/die Narzisstin und den oder die emotional Abhängige/n.
Abbildungsnachweis
- Echo und Narziss, Gemälde von John William Waterhouse, 1903, Walker Art Gallery, Liverpool. http://www.geocities.com/SoHo/Cafe/9667/echoandnarcissus.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5921436
- Donald Trump: David Bruyland auf Pixabay (lizenzfrei)
- vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Narziss, Die bei weitem wirkungsmächtigste antike Darstellung gibt Ovid in seinen Metamorphosen. (ebd.) [↩]
- https://de.wikipedia.org/wiki/Narzisstische_Persönlichkeitsstörung [↩]
- https://www.news.at/a/so-streiten-narzissten-11304505 [↩]
- vgl. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung[↩]
- sofern nicht bereits behandlungsbedürftige körperliche Krankheitssymptome vorhanden sind [↩]